Über Jörg Wettlaufer

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (AdWG) - Göttingen Centre for Digital Humanities (GCDH) - Institut für Digital Humanities (IfDH) an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen.

Rückschau: DH2014 Lausanne, Switzerland – 7.7.-11.7.2014

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DH2014 ist vorbei und Deutschland Fussball-Weltmeister. Da gibt es zwar keinen direkten Zusammenhang, aber auf der Tagung war auch nicht bei allen Vorträgen der Zusammenhang zu Digital Humanities offensichtlich, daher sei diese Bemerkung hier einmal erlaubt. Mit den Workshops am Montag und Dienstag dauerte die Tagung eine ganze Woche, die prall gefüllt war mit Vorträgen, Postern, einem Fun Run und sehr sehr viel Regen. Das Wetter hat sicher auch so manchen davon abgehalten, die reizvolle Landschaft des Genfer Sees näher zu erkunden. Statt dessen drängte es sich am Veranstaltungsort. Mit über 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war DH2014 bislang die größte Veranstaltung ihrer Art. Das hat sich natürlich auch auf den Charakter der Konferenz ausgewirkt.
Am ersten Tag der Tagung war es schwierig, eine der acht Parallelsektionen zu besuchen, so voll waren die darfür vorgesehenen Räume. Das ist aber vielleicht auch schon der einzige Kriktikpunkt, den man der ansonsten vorbildlich von Claire Clivaz (UNIL) und Frederik Kaplan (EPFL) organisierten Tagung anheften kann. Besonders hervorzuheben ist die Vorbereitung der Tagung durch Melissa Terras (UCL), die das peer review der Beiträge organisierte und sich auch sonst als gute Seele der Konferenz herausstellte (sozusagen der Schweinsteiger der DH). Für die verhinderte Bethany Nowviskie (University of Virginia Library) sprach sie deren Redemanuskript – digital humanities in the anthropocene – eine teilweise düstere und zugleich poetische und feinfühlige Reflektion über DH im Kontext von Umwelt, Natur und Technologie der modernen Welt. Die Frage nach der Relevanz des von ihr konstatierten Artensterbens für die Arbeit in den DH blieb über die postulierte Analogie von Vergänglichkeit in Natur und Kultur hinaus für mich zwar weitgehend unbeantwortet, aber ein Ohrenschmaus war die Rede allemal für diejenigen, die der englischen Sprache auf dieser Schöpfungshöhe mächtig sind (bei einer internationalen Tagung wie dieser übrigens nicht unbedingt ein Zustand, von dem man ausgehen sollte). Sie brachte auch etwas politisches in die DH Community, das ich bislang so nicht wahrgenommen hatte.
A propos Community. Ray Siemens beschwor diese Community in gewohnt souverainer Art in seiner Keynote: Das wir zählt! Alle, die sich noch irgendwie nicht zur großen Gemeinschaft der Digital Humanities zugehörig fühlten – spätestens nach seiner Rede waren sie in den weiten rhetorischen Armen von Siemens angekommen. Das führte aber sogleich zu Lästerei auf Twitter, diesem vermutlich von der NSA ins Leben gerufenen Kurznachrichtendienst, bei dem man der gesamten Welt in Echtzeit mitteilen kann, was man gerade denkt, fühlt und macht. Die Kritik prallte aber an Siemens ab wie der Zölibat am Papst (siehe aber, inzwischen dementiert: Katholische Priester: Papst Franziskus deutet Lösungen in Zölibatsfrage an). Und das ist auch richtig so, denn wir haben ja schließlich gestern erst gesehen, dass Teamgeist und „Community“ alles erreichen kann, wenn er bzw. sie nur wollen – sogar den Weltmeistertitel.
Sehr gelungen waren auch das Logo und die Corporate Identity der Tagung. Die von einem „italienschen“! Designer entworfenen Netzwerkvisualisierungen der aktiven Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, die zunächst als begehbare Bodenkunst vor dem (imposanten und gerade neu eröffneten) Swiss Tech Convention Centre sowie auch multimedial (mit Photos)! gezeigt wurden, kamen sehr gut an und waren ein guter Icebreaker für die Kontaktaufnahme. Diese kleinen Kunstwerke waren damit vielleicht dem Kern von „Digital Humanities“ näher als einige der Vorträge an den folgenden Tagen.

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Fast hätte ich nun bei meiner kurzen Umschau die Eröffnungsvorlesung von Bruno Latour, dem großen französischen Wissenschaftshistoriker, vergessen. Er sprach zum Thema: „Rematerializing Humanities Thanks to Digital Traces“. Seiner Beobachtung des Wiederstarken des „Empirismus“ durch die moderne Digitalisierung ist inhaltlich und faktisch zuzustimmen. Es bleibt für mich allerdings offen, ob das „Digitale“ wirklich am treffendsten durch seine Materialität beschrieben ist – als ob Denkprozesse im Gehirn weniger materiell wären? Aber das sind vielleicht philosophische Fragen, mit denen sich die Geisteswissenschaftler beschäftigen sollten. Ich als Digitaler Humanist bin jedenfalls auch gerne materiell…

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Zum Schluß noch einige Links zu interessanten Projekten oder Folien, die mir im Laufe der Tage unter gekommen sind. Die nächste DH Konferenz der ADHO findet übrigens vom 29. Juni bis 3. Juli 2015 in Sidney statt! Und 2016 folgt dann Krakau.

Tagungswebseite

Abstracts Proceedings of DH 2015 als PDF mit ca. 85MB

Alexander O’Connor, David Lewis, Felix Sasaki: Towards Linking Linguistic Resources in the Humanities

CFP: Exploring Historical Sources with Language Technology. Results and Perspectives

Hier ein CFP zu einem spannenden Thema. Deadline ist der 3. September, also noch etwas hin. Er kam zu mir über den Dariah-Verteiler:

** Exploring Historical Sources with Language Technology **
* Results and Perspectives *

Monday 8th December and Tuesday 9th December 2014

Huygens Institute for the History of the Netherlands, The Hague, Netherlands

http://www.clarin.eu/event/exploring-historical-sources

The proliferation of digital resources in the Humanities urges both the
development of new technologies and the elaboration of new methods,
concepts, and theories by means of which researchers can query and
interpret large-scale textual collections. In the discovery of digital
resources language technology are certainly playing a pivotal role. The
goal of the workshop is to demonstrate how the application of language
technology has produced a new understanding of texts in different fields
of Humanities.

The workshop will bring together researchers who already apply language
technology, and those who would like to learn about the current state of
art in this new and evolving area. The organizers invite researchers
(especially early career scholars) who plan to apply language
technology, but do not already have the necessary skills and technical
background. The second main goal of the workshop is to enhance exchange
of experiences, disseminate know-how, and to explore potential future
collaborations.

This international workshop is the joint effort of two major Europe-wide
initiatives: CLARIN (Common Language Resource and Tools Infrastructure)
and NeDiMAH (Network for Digital Methods in the Arts and Humanities).
NeDiMAH is funded by the European Science Foundation (ESF). Thanks
to generous funding from NeDiMAH and CLARIN, participation will be free
of charge, and funds will be available to reimburse travel and
accommodation expenses for a number of participants.

To apply for a place, please complete the online form at
http://bit.ly/explorehistory.

* Important dates *

Call for participation and papers issued     27 June 2014
Deadline for applications for participation and papers    3 September 2014
Notification of successful applicants     15 September 2014
Workshop     8-9 December 2014

* Organizing Committee *

Karina van Dalen-Oskam, Huygens ING
Gabor Mihaly Toth, University of Passau
Martin Wynne, CLARIN ERIC & University of Oxford

Martin Wynne
IT Services, University of Oxford
Oxford e-Research Centre
The Oxford Research Centre in the Humanities
Faculty of Linguistics, Philology and Phonetics
Director of User Involvement, CLARIN ERIC
martin.wynne@it.ox.ac.uk

THATCamp Göttingen 22.-23.9.14 – Anmeldung freigeschaltet

THATcamp_Goe_Logo2mitGänselieselganz-Resize-TwitterWir freuen uns mitteilen zu können, dass ab sofort die Anmeldung für das THATCAmp Göttingen 2014 zur Verfügung steht. Mit dem folgenden Formular kann man sich für die Teilnahme registrieren.

Wenn man schon mal an einem THATCamp teilgenommen und sich auf der Seite thatcamp.org registriert hat, dann kann man sein Login weiterverwenden. Alle anderen müssen ein neues Profil anlegen und erhalten dann von uns eine Bestätigung per Email bei erfolgreicher Anmeldung. Informationen über Anreise, Unterkunft und das Programm des THATCamp finden sich auf der Webseite. Bitte schauen Sie dort vorbei und falls Sie noch Fragen haben sollten, dann kontaktieren Sie uns bitte per Email. Wir freuen uns, Sie im September in Göttingen begrüssen zu dürfen!

Herrenhäuser Symposium „Global Humanities“, 16.6.-17.6.14

Die von der Volkswagenstiftung und dem Schwedischen Riksbankens Jubileumsfond ausgerichtete Tagung zur aktuellen und globalen Perspektive der Geisteswissenschaften fand anläßlich der Fertigstellung des Global Humanities World Report statt, der von Arne Jarrick, Poul Holm und Dominic Scott bearbeitet wurde und in einigen Monaten der Öffentlichkeit offiziell übergeben werden soll. Es handelte sich bei der Tagung also um eine Art Pre-Release mit der Präsentation erster Ergebnisse und deren Diskussion. Das Thema ist auch deshalb für die Digital Humanities von Bedeutung, weil die allenthalben berufene Krise der Geisteswissenschaften Thema des Reports ist, in dem mit Hilfe von Experteninterviews versucht wurde, ein globales Bild der Innen- und Aussensicht der Geisteswissenschaften zu zeichnen. Digital Humanities sind bekanntlich eine Antwort auf diese „Krise“, die, soviel sei vorweg genommen, im Report nicht wirklich zu belegen ist.

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Auf der Tagung standen bzw. stehen die folgenden Speaker bzw. Chairs auf dem Programm:

Homi K. Bhabha, USA; Roberto Blancarte, Mexico; Olivier Bouin, France, Göran Blomqvist, Sweden; Barbara Göbel, Germany; Poul Holm, Ireland; Arne Jarrick, Sweden; Anne Jerslev, Denmark; Wilhelm Krull, Germany; Michèle Lamont, USA; Thandi Mgwebi, South Africa; Kerstin Sahlin, Sweden; Suwanna Satha-Anand, Thailand; Hans-Jochen Schiewer, Germany, Dominic Scott, USA.

Ich habe die Beiträge von Arne Jarrick „THE GLOBAL HUMANITIES WORLD REPORT“, Homi K. Bhabha „CULTURAL DYNAMICS AND GLOBAL HUMANITIES“ sowie Michèle Lamont mit einer Keynote über „WHAT IS ORIGINALITY IN THE HUMANITIES?“ und Dominic Scott sowie Olivier Bouin über „RE-THINKING PURPOSE AND QUALITY OF THE HUMANITIES“ gehört. Mein Gesamteindruck war positiv, auch wenn die Diskussion, zumindest an diesem ersten Tag vor allem um die Humanities kreiste, die wir alle kennen, nämlich die Situation in der nordwestlichen Hemisphäre. Dies wurde besonders an dem Vortrag von Michèle Lamont deutlich, die mit Bezug auf ihr Buch „How Professors Think“ aus dem Jahre 2009 über die Evaluationskriterien und praxis geisteswissenschaftlichen Fundings in den USA berichtete. Auch wenn sie mit kurzen Seitenblicken auf China und Spanien die Diskussion auf die globale Perspektive öffnete wurde doch – unter anderem durch eine Intervention von Homi Bhabha – sehr deutlich, dass die Probleme und Perspektiven der Geisteswissenschaften in der zweiten und dritten Welt ganz andere sind als in der sog. Ersten.

Ich persönlich kann mich am besten mit den Schlussfolgerungen von Arne Jarrick (Univ. Stockholm) identifizieren, der im Resumée die Aufgabe der Geisteswissenschaften in der Produktion von Wissen über die „conditio humana“ bzw. menschliches Verhalten unter den sich wandelnden Bedingungen von Kulturen und Zeiten sieht, also mit starken Überschneidungen zu den Verhaltenswissenschaften verortet. Leider ist die Zusammenarbeit zwischen Geistes- und Naturwissenschaften in diesem Bereich bislang nur als rudimentär zu bewerten. Vor allem Geisteswissenschaftler wehren sich gegen interdisziplinäre Perspektiven. Ein gutes Beispiel dafür ist die evolutionäre Geschichtswissenschaft und ihre Vorläufer, die ich letzte Woche in Giessen im Rahmen des Colloquium Gissenum nochmals vorgestellt habe und deren Impakt auf die Mainstream-Geschichtswissenschaft bestenfalls als marginal bezeichnet werden kann. Es ist zu hoffen, dass gerade hier, neben und komplementär zu den Digital Humanities, Perspektiven für die Relevanz der Geisteswissenschaften in der globalen Gesellschaft der Zukunft liegen könnten.

Das Tagungsprogramm kann man hier herunterladen.

CFP: Semantic technologies for research in the humanities and social sciences (STRiX)

The workshop on semantic technologies for research in the humanities and social sciences (STRiX) will be held in Gothenburg, Sweden, on November 24-25, 2014.

Authors are invited to submit papers in the topic areas of the
workshop, including (but not limited to) examples such as:

Construction and use of ontologies and other knowledge resources
Temporally aware knowledge bases and diachronic linguistic resources
Semantic search and information retrieval; digital libraries
Development of semantically aware resources; annotation
Methodological considerations
Visualization; user interface design
Timeline-based approaches such as „culturomics“
Technical infrastructures and standards
Linked open data and semantic web technologies
Knowledge discovery
Semantically aware digitization methods

Important dates:

Submission deadline: June 20
Notification of acceptance: August 31
Workshop: November 24-25

More info at: http://spraakbanken.gu.se/eng/strix2014

Semantic Technologies for Historical Research: A Survey (Semantic Web Journal)

Es tut sich etwas in der Semantic Web Szene in Bezug auf die Anwendung dieser Technologie auf Historische Forschung. Ich möchte auf einen Artikel hinweisen, der beim Semantic Web Journal akzeptiert wurde und den oben genannten Titel trägt. Verfasst wurde er von einem niederländischen Autorenkollektiv: Albert Meroño-Peñuela, Ashkan Ashkpour, Marieke van Erp, Kees Mandemakers, Leen Breure, Andrea Scharnhorst, Stefan Schlobach, Frank van Harmelen. Ein PDF des Artikels findet sich auf der oben verlinkten Webseite. Leider dort kein Hinweis auf die Wissenschaftliche Kommunikationsinfrastruktur WissKI/Drupal. Und da wir gerade dort sind, noch der Hinweis auf einen anderen interessanten Überblicksartikel, der sich noch in der Reviewphase befindet: A survey of RDB to RDF translation approaches and tools.